Sie möchten bei der Gestaltung Ihres Vergütungssystems kein böses Erwachen erleben? Das müssen Sie beachten.
Vergütungssysteme und der Kobra-Effekt
Kennen Sie den Kobra-Effekt? Der Begriff von Professor Horst Siebert, geht auf ein Ereignis in Indien während des britischen Kolonialismus zurück. Damals herrschte im Land eine enorme Schlangenplage, woraufhin der britische Gouverneur ein Kopfgeld auf jede erlegte Kobra aussetzte.
Zunächst funktionierte die Idee: Die Inder gingen auf Schlangenjagd. In der Folge wurden die Kobras rapide dezimiert.
Bis einige pfiffige Geschäftemacher erkannten, dass es wesentlich lukrativer ist, die Kobras erst zu züchten, um sie anschließend zu enthaupten und für die Kadaver abzukassieren. Natürlich verbreitete sich die clevere Geschäftsidee schnell, da einige Inder damit recht zügig ein ansehnliches Einkommen generiert haben.
Als der Trick aufflog, wurde die Prämie natürlich sofort abgeschafft. Also ließen die Leute alle Kobras, die sie noch besaßen, wieder frei. Was soll man auch mit so vielen Giftschlangen anfangen? Die Folge: Es gab eine erneute Schlangenplage – nur war die noch viel schlimmer als jene zuvor.
Mit diesem Abstecher in die Geschichte beginnt Horst Siebert (1938-2009), sein Buch über die Irrwege in der Wirtschaftspolitik. Horst Siebert illustrierte damit die Konsequenzen falscher Anreize, die er als Grunddilemma der deutschen Wirtschaftspolitik ansah. Beispiele für den „Kobra-Effekt“ gibt es auch hierzulande und in heutiger Zeit in Hülle und Fülle. Etwa, wenn der Gesetzgeber es gut mit den Mietern meint und Mietpreisbindungen vorschreibt. Die unerwünschte Folge ist, dass weniger Häuser gebaut werden. Knapper Wohnraum aber benachteiligt diejenigen, die ein Dach über dem Kopf suchen. Falsche Anreize setzt aber nicht nur die Politik.
Gibt es den Kobra-Effekt nur in der Politik?
Wie das Beispiel aus Indien zur Zeit des britischen Kolonialismus zeigt, kann der Kobra-Effekt auftreten, wenn man versucht, das Verhalten von Menschen mittels eines Vergütungsmodells zu steuern. Bezogen auf Unternehmen kann etwa ein falsch gesetzter Teambonus zum einen die Konkurrenz zwischen Teams ungut anheizen und zum anderen zu einem Sozialdarwinismus innerhalb eines Teams führen. In letzterem Fall werden schwache oder vermeintlich schwache Teammitglieder aus dem Team gemobbt.
Dieses Beispiel zeigt, dass Anreize nicht immer die gewünschte Wirkung erzielen oder im Gegenteil sogar einen negativen Effekt haben. Dennoch ist eine Verhaltenssteuerung mittels Führungsinstrumenten und Vergütungsmodellen eine der Möglichkeiten, Mitarbeiter in eine vom Unternehmen gewünschte Richtung zu bewegen.
Woher weiß man, wann ein Vergütungsmodell eine gute Idee ist und wann nicht?
Für den Anfang ist es wichtig, ein Gefühl für die Situation zu entwickeln, in die man ein Vergütungssystem implementiert und für die Ziele, die man durch die Umsetzung erreichen will.
Als Nächstes müssen Sie sich der Tatsache stellen, dass es Probleme gibt, die ein Vergütungssystem nicht lösen können (und die sich sogar noch verschlimmern können).
Dinge, die Vergütungssysteme bewirken können
- Vergütungssysteme müssen zielgerichtet sein. Vergütungssysteme erzielen eine hohe Aufmerksamkeit der Mitarbeiter. Die Mitarbeiter richten sich automatisch danach aus. Dies ist eine der stärksten Fähigkeiten von Vergütungssystem (vorausgesetzt, Sie sind sich über die Auswirkungen und Folgen dieser „gezielten“ Aufmerksamkeit im Klaren).
- Vergütungssysteme können leiten. Vergütungssystem sind Kommunikationsinstrumente, die die Mitarbeiter darauf hinweisen, wo ihre Bemühungen den größten Mehrwert schaffen können.
- Vergütungssysteme können Teile des Unternehmenserfolgs innerhalb der Belegschaft verteilen. Vergütungssysteme bieten einen Mechanismus, durch den die Mitarbeiter am wirtschaftlichen Erfolg, den sie mitgestalten, teilhaben können.
- Vergütungssysteme können Silo-Denken und Verhalten reduzieren. Durch die Verknüpfung von Teams mit gemeinsamen Leistungskennzahlen und Belohnungsmöglichkeiten können Vergütungssysteme die Teamarbeit und Zusammenarbeit über Geschäfts- oder Funktionsbereiche hinweg fördern.
- Vergütungssysteme können dazu beitragen, die Entwicklung kritischer Fähigkeiten und Fertigkeiten zu fördern und zu belohnen.
Dinge, die Vergütungssysteme nicht können
- Vergütungssysteme können keine defekten Organisationsstrukturen und -prozesse reparieren. Statt ständig „Schmerzensgeld“ zu zahlen, um zu verhindern, dass Mitarbeiter kündigen, sollte dieses Budget besser genutzt werden, um Probleme zu lösen. Die Gestaltung der Grundvergütung auf der Basis einer fairen und nachvollziehbaren Stellen-/Funktionsbewertung ist in vielen Fällen bereits hilfreich.
- Vergütungssysteme können suboptimale Rahmenbedingungen und Entscheidungen in Bezug auf Arbeitsplatzgestaltung und Personalplanung nicht beheben.
- Vergütungssysteme dienen nicht als Ersatz für die Durchsetzung von Richtlinien und Arbeitsplatzanforderungen. Die Einhaltung der Richtlinien und die Erfüllung der Arbeitsplatzanforderungen sind eine Bedingung für die Beschäftigung angesehen worden. Für die gute Erfüllung einer Aufgabe zahlt das Unternehmen Grundgehalt und nicht eine zusätzliche oder höhere Vergütung, um Fehlverhalten und Fehler zu vermeiden. Treten diese Problemfälle in der Belegschaft auf, sind sinnvolle Führungsinstrumente (bspw.: Korrekturvereinbarung) anzuwenden.
- Vergütungssysteme sind kein Ersatz dafür, dass Führungskräfte den Mitarbeitern regelmäßig Feedback geben und unangemessene Leistungen besprechen.
- Vergütungssysteme können Mitarbeiter nicht an Stelle der jeweiligen Führungskräfte führen.
- Vergütungssysteme sind keine Alternative zur Festlegung und Kommunikation klarer Leistungserwartungen.
Basics für die Gestaltung eines Vergütungssystems
- Werden Sie sich über ihr eigenes und das Menschenbild in ihrem Unternehmen klar. Orientieren Sie sich an einem Bild, dass geprägt ist von Vertrauen, Glaube an die Fähigkeit und Motivation des Mitarbeiters und Wertschätzung. Diese innere Haltung spüren die Mitarbeiter und werden sich eher in diese Richtung entwickeln.
- Prüfen Sie die Situation Ihres Unternehmens, des Marktes und die Erwartungen der Mitarbeiter.
- Davon ausgehend erstellen Sie eine Anforderungsliste, was ihr Vergütungssystem „leisten“ und mit welchen Maßnahmen (Vergütungsbestandteilen) dies erreicht werden soll.
- Analysieren Sie die positiven und möglichen negativen Auswirkungen auf die Mitarbeiter ebenso sorgfältig, wie wenn Sie mit dem Unternehmen einen neuen Markt erschließen und die Auswahl der geeigneten Markteintrittsstrategie und der Markteintrittsform analysieren.
- Tauschen Sie sich mit anderen Unternehmern über das Thema aus. Holen Sie sich dabei auch Rat von Spezialisten. Bedenken Sie dabei, dass nicht jeder, der einmal ein Vergütungssystem verantwortet hat, auch ein ausgewiesener Vergütungsspezialist ist. Bei einem speziellen gesundheitlichen Problem gehen Sie vermutlich ebenfalls zum Facharzt und nicht zum Allgemeinarzt. In der operativen Umsetzung kann dann zusätzlich ein Steuerberater oder Anwalt erforderlich sein.
- Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter am Unternehmenserfolg. Beziehen Sie die Mitarbeiter bei der konkreten Ausgestaltung des Vergütungsmodells mit ein, damit die Akzeptanz erhöht wird.
- Kommunizieren Sie das Vergütungssystem und seine Bestandteile ausführlich gegenüber Führungskräften und Mitarbeitern. Nutzen Sie so viele Kommunikationskanäle, wie nur möglich. Es gilt: Die einfachste Möglichkeit, etwas längerfristig im Gedächtnis zu verankern, besteht in der Wiederholung. Ein immer und immer wieder gesehener oder gehörter Werbespot wird sich früher oder später in unser Gedächtnis einbrennen, egal ob er gut oder schlecht gemacht ist. Diese Strategie der Wiederholung führt zwar zum Erfolg auf der Erinnerungsseite, auf Seiten der Effizienz muss man ihr allerdings eine ungünstige Bilanz bescheinigen, denn jede Wiederholung einer Werbebotschaft kostet Geld. Bezogen auf die Akzeptanz eines Vergütungssystems ist jedoch die Wiederholung ein gutes Investment.
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