Viktor Beyfuß Vergütungsberatung

Entgeltgleichheit beschränkt Freiheit von Arbeitgebern und Beschäftigten

von | 21. Feb. 2023

Das Urteil des BAG zur Frage der "Entgeltgleichheit von Frauen und Männern" schränkt die Vertragsfreiheit zw. Arbeitgebern und Beschäftigten ein!
Entgeltgleichheit beschränkt Freiheit von Arbeitgebern und Beschäftigten 2

Das ist passiert:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 16. Februar 2023 (Az. 8 AZR 450/21; derzeit nur als Pressemitteilung veröffentlicht) geurteilt: Die Tatsache, dass eine Frau für die gleiche Tätigkeit weniger Geld erhält als ihr männlicher Kollege, ist ein Indiz für die „Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts“.
Mit dem Argument, der Mann habe besser verhandelt, hatte der Arbeitgeber die Gehaltsunterschiede gerechtfertigt. Verhandlungsgeschick ist kein sachlicher Grund für ein höheres Entgelt und rechtfertigt daher nicht den Gehaltsunterschied, entschied das Gericht.

Deshalb ist es so wichtig:

Die Entscheidung des BAG vom 16. Februar 2023 schränkt die Vertragsfreiheit von Arbeitgebern und Beschäftigten stark ein. Die Statistik zeigt, dass es immer wieder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt, die unter dem relevanten Medianentgelt der Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts liegen – auch dann, wenn keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegt. In diesem Fall wird eine Entgeltbenachteiligung vermutet. Um sich aus diesem Dilemma zu befreien, muss sich der Arbeitgeber bei der individuellen Entscheidung über das Entgelt stets an objektiven Kriterien orientieren. Dies schränkt die Vertragsfreiheit auf dem Gebiet der Entgeltgestaltung massiv ein.

Das ist unsere Einschätzung:

Das BAG ordnet die Frage der „Entgeltgleichheit von Frauen und Männern“ auf der Grundlage des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz – EntgTranspG) und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ein. Die abschließende rechtliche Bewertung bleibt den Fachjuristinnen und Fachjuristen vorbehalten.

Im Moment ist jedoch unklar, welche objektiven geschlechtsneutralen Regelungen das BAG künftig bei unterschiedlicher Vergütung gleicher oder gleichwertiger Arbeit akzeptieren wird. Nicht ausreichend dürften arbeitgeberseitige Motive wie die Bindung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen an das Unternehmen sein. Auch die Durchsetzung von Lohn- und Gehaltsforderungen durch die Beschäftigten scheinen nun erschwert. Individuelle Verhandlungen über die Vergütung sind zwar nicht ausgeschlossen, aber doch deutlich eingeschränkt. Fraglich ist, ob der Verweis auf die Anforderungen des Marktes ein objektives Kriterium zur Rechtfertigung von Gehaltsunterschieden sein kann. Etwa, wenn ein Unternehmen Mangelberufe dringend besetzen muss oder mit höheren Gehältern von Konkurrenten locken will und deshalb eine Person mehr verdient als die andere.

So stellt sich die Situation für Unternehmen dar:

Viele Unternehmen sind im Laufe der Zeit gewachsen oder mussten während der Pandemie um ihr Überleben kämpfen und haben ihre gesamte Energie in diesen Prozess investiert. Eine systematische Strukturierung der Entlohnung der Belegschaft hat sich dadurch immer wieder verzögert. Viele dieser Unternehmen gehen davon aus, dass alles in Ordnung ist, da sich kaum jemand aus der Belegschaft beschwert hat.

Wenn es noch kein nachvollziehbares und faires System für die Entlohnung gibt, dann muss gehandelt werden. Was kann getan werden?

  • Beginnen sollte das Unternehmen mit einer Analyse der IST-Gehaltsstruktur.
  • Wenn keine (richtige) Struktur vorhanden ist, sollte mithilfe einer Funktionsbewertung – wie z. B. der intuitiv zu bedienenden Online-Anwendung easygrading – die Grundlage für eine transparente und faire Gehaltseinstufung geschaffen werden.
  • Es ist sinnvoll, einen objektiven Kriterienkatalog für die Gewährung des Anfangsgehalts zu erstellen.
  • Ebenso ist es sinnvoll, einen objektiven Kriterienkatalog für die Bewegung innerhalb der Gehaltsbänder zu erstellen. Zumindest übergangsweise kann die Verwendung einer „Merit Increase Matrix“ sinnvoll sein. Weitere Informationen zu diesem Tool finden sich hier.

Fazit:

Gehaltsunterschiede, die sich nicht durch objektive Kriterien begründen lassen, bergen rechtliche Risiken. Arbeitgeber sind gut beraten, sich die Zeit zu nehmen und die Gehaltsstruktur der Belegschaft auf Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen zu überprüfen. Im Falle von auffälligen Diskrepanzen sollten – nach Rücksprache mit Fachleuten für Arbeitsrecht – erforderliche Anpassungen vorgenommen werden. Sofern noch keine systematische Struktur besteht, sollte mithilfe einer Funktionsbewertung der Grundstein für ein systematisches, nachvollziehbares und gerechtes Entgeltsystem gelegt werden.


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Geschrieben von Dr. Viktor Beyfuß

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