Stellenbewertung: Hilfreiches Tool oder Ressourcenvergeudung?

von | 30. Jul. 2021

Agiles Arbeiten und New Work in Verbindung mit New Pay sind virulente Themen in den Personalabteilungen. Darauf berief sich die Geschäftsführerin einer mittelständischen Kommunikationsagentur vor kurzem in einem Telefonat mit mir. Dabei vertrat sie die Auffassung, dass in diesem Dreiklang ein Stellenbewertungstool keinen Platz mehr habe. 

Sind Gradingsysteme (to grade sth. = etwas bewerten, einteilen) in der schnelllebigen und komplexen Arbeitswelt von heute noch relevant?

Bewirkt der Einsatz von Stellenbewertungen und Gehaltsstrukturen noch einen Mehrwert in unserer komplexen Arbeitswelt? Sind derartige Tools zu zeitaufwändig und bringen ein Übermaß an Bürokratie?

Warum ist eine Stellenbewertung und darauf aufbauend eine Gehaltsstruktur sinnvoll?

Um unternehmensintern gerechte Gehaltsstrukturen zu erlangen, ist ein Stellenbewertungssystem nötig. Damit können Stellen gemäß der Entscheidungskompetenz und Auswirkungen auf das Unternehmen bewertet werden. Daraus ergeben sich vergleichbare Verantwortungsebenen (Grades), die die Basis für Gehaltsstufen bilden. Die den bewerteten Stellen zugeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden damit ebenso den entsprechenden Gehaltsstufen zugeordnet.
Die Gehaltsstufen wiederum gestalten den Rahmen für das im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag genannte Grundgehalt sowie für variable Vergütungsbestandteile, wie bspw. Boni. Ebenso sind üblicherweise Mitarbeiter-Benefits damit verknüpft.

Von der Stellenbewertung hin zu Gehaltsstrukturen.
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Wenn sie gut konzipiert sind, unterstützen Gehaltsstrukturen die Unternehmen, ihre Vergütung zu steuern und damit die Unternehmenswerte nachhaltig zu fördern. Gleichzeitig kann damit die zu Recht erhobene Forderung der Belegschaft (siehe das aktuelle Beispiel des Gorilla Workers Collective) nach einer fairen Bezahlung erfüllt werden.

Soweit in der Theorie. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Die Einteilung von Stellen in ähnliche Aufgabenbereiche erfolgt traditionell mittels einer analytischen Stellenbewertung. Und die Stellenbewertung ist es, die in der heutigen schnelllebigen Geschäftswelt viele Probleme bei der Einführung von Gehaltsstrukturen verursacht.

Die Nachteile der Stellenbewertung

Häufig passen Unternehmen nach der Durchführung einer Stellenbewertung die Ergebnisse nur selten an die sich wandelnden Unternehmenswirklichkeiten (bspw. Organisations- und / oder Aufgabenveränderungen) an. Als Grund wird in der Regel der hohe bürokratische Aufwand genannt. Das bedeutet, dass die Ergebnisse im Laufe der Zeit an Relevanz verlieren – daher die Kritik mancher Führungskräfte, dass das Stellenbewertungssystem ihrer Organisation veraltet sei. Deshalb ist es wichtig, ein intuitives und schlankes Stellenbewertungssystem auszuwählen.

Ebenso erfolgsrelevant ist die Definition von Prozessen für die Pflege der Stellenbewertungsergebnisse in den Folgejahren.

Ein weiterer Hauptkritikpunkt an der Stellenbewertung besteht darin, dass nur die Stellen, nicht die Person, die die Stelle ausführt, bewertet werden. In der heutigen komplexen Arbeitswelt machen die Fähigkeiten, die ein Mitarbeiter mitbringt, oft einen großen Unterschied im Hinblick auf den Beitrag und damit den Marktwert des Mitarbeiters. Aus diesem Grund nutzen viele Unternehmen Breitband-Gehaltsstrukturen. In agilen und nahezu Hierarchie befreiten Unternehmen liegt der Schwerpunkt dieser Gehaltsstrukturen eher auf dem horizontalen Fortkommen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dabei unterteilen manche Unternehmen die einzelnen Gehaltsbandbreiten in kompetenzorientierte Zonen.

Unabhängig davon, welchen Ansatz Sie für die Stellenbewertung wählen, sollten Sie darauf achten, dass er leicht an künftige Geschäftsanforderungen angepasst werden kann und der Art und Weise entspricht, wie Sie Ihre Belegschaft einsetzen. Ein jederzeit intuitiv einsetzbares Stellenbewertungs- und Gehaltsanalysetools ist bspw. easygrading.

Die Wirklichkeit ist komplizierter als die Theorie

Die aktuelle Pandemieerfahrung zeigt uns weltweit, dass Corona-Impfungen sinnvoll sind, obgleich einzelne voll geimpfte Personen dennoch erkranken können. Diese Erkenntnis lässt sich auf das beschriebene Vorgehen übertragen.

Mit der Auswahl des geeigneten Stellenbewertungs- und Gehaltsanalysetools und darauf aufbauend intern und extern gerechter Gehaltsstufen wird eine hohe Sicherheit vor gerichtlichen Auseinandersetzungen wegen unfairer Vergütung erreicht. Allerdings wird es immer wieder Sonderfälle geben, die sich nicht in diesen Gehaltsstrukturen einordnen lassen.

Manchmal gibt es Aufgaben und Rollen, die ein Unternehmen zwingen, bestimmte Fähigkeiten auf dem Markt einzukaufen. Dieser Bedarf ist jedoch möglicherweise nur von kurzer Dauer. In diesen Fällen ist eine bewusst dokumentierte Ausnahmeregel sinnvoll. Besser ist generell die Förderung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Unternehmen. In diesem Fall kann ein niedrigeres Einstiegsgehalt, das schrittweise ansteigt, wenn die Mitarbeiter die erforderlichen Kenntnisse erwerben, sinnvoll sein.

Durch die Corona-Schutzimpfung kann das Risiko einer Infektion und Erkrankung und vor allem von schweren sehr COVID-19-Verläufen stark reduziert werden. Ebenso reduziert der Einsatz eines Stellenbewertungssystems mit darauf aufbauenden Gehaltsstrukturen die Gefahr unfairer Vergütungsniveaus.

Gleiche Vergütung erreichen

Eine Stellenbewertung / Funktionsbewertung ist die Basis für EQUAL PAY.
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Ein Bereich, in dem Gehaltsstrukturen einen Mehrwert bieten können, ist die Gewährleistung der Entgeltgleichheit. Eine transparente Gehaltsstruktur gibt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Gewissheit, dass ihre Vergütung gerecht und nicht diskriminierend ist.

Sicherheitshalber sollten Unternehmen zuvor noch prüfen, ob die Vergütungsstrukturen inhärente Vorurteile enthalten. Der erste Ansatzpunkt ist die Durchführung der Stellenbewertung. Hier ist darauf zu achten, dass das Bewertungsteam keine Voreingenommenheit aufgrund von Geschlechterrollen aufweist. Die Stellen sollen fair und einheitlich sowie anhand derselben geschlechtsneutralen Kriterien bewertet werden.

Bei der Verwendung von Marktdaten gilt es auch zu hinterfragen, ob die Datensätze eine inhärente Verzerrung aufweisen. Letztlich werden Marktdaten nur selten auf Basis deckungsgleicher Aufgaben und Anforderungen von Stellen generiert. Zudem stammen die Gehaltsdaten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die möglicherweise eine ungleiche Vergütung erhalten.

Mehrwert von Stellenbewertung und Gehaltsstrukturen

Trotz der potenziellen Fallstricke ist Transparenz der entscheidende Faktor für Entgeltgerechtigkeit. Diese wiederum bestimmt wesentlich das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Der entscheidende Erfolgsfaktor besteht darin, einen Rahmen zu schaffen, der die Geschäftsstrategie und die Qualifikationsanforderungen des eigenen Unternehmens widerspiegelt. Dann ist mit Blick auf den Dreiklang „Agiles Arbeiten, New Work sowie New Pay“ der Einsatz eines Stellenbewertungssystems sinnvoll!

Falls Sie mit mir persönlich über Ihre aktuelle Situation sprechen wollen oder individuelle Hilfe benötigen, dann lassen Sie uns einen unverbindlichen Telefontermin vereinbaren und besprechen, wie ich Sie unterstützen kann.

+49 (0) 30 217 511 69
beyfuss@respondeo.de

Geschrieben von Dr. Viktor Beyfuß

Viktor Beyfuß unterstützt Unternehmen, schnell kostenoptimiert, klare interne Wertigkeitsstrukturen und eine faire Mitarbeitervergütung zu gestalten.

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