Mit der EU-Entgelttransparenzrichtlinie [2023/970/EU]will die EU die Lücke zwischen den Gehältern von Männern und Frauen schließen. Deutschland hat bis 2026 Zeit, die Richtlinie umzusetzen, aber Unternehmen sollten jetzt schon aktiv werden, da erhebliche Änderungen in den Entgeltsystemen bevorstehen. Letztlich haben die Unternehmen nur noch im Jahr 2025 die Möglichkeit die Anforderungen der EntgTranspRL umzusetzen.
Wir beantworten die wichtigsten Fragen und zeigen konkrete Schritte auf.
Wir verfügen über kein Vergütungssystem, das auf einer analytischen Funktionsbewertung aufbaut, sondern legen die Vergütung frei fest – müssen wir nun eines schaffen?
Ja. Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Entgelttransparenzrichtlinie (EntgTranspRL) müssen Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Arbeitgeber Vergütungsstrukturen haben, die gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gewährleisten. Diese Strukturen müssen objektive, geschlechtsneutrale und mit den Arbeitnehmervertretern vereinbarte Kriterien enthalten. Die Onlineanwendung easygrading.de bietet diese inklusive von Gehaltsanalyse und Gehaltsbanddesign.
Die folgende Vorgehensweise wird als sinnvoll erachtet:
- Bewertung der vorhandenen Vergütungsstrukturen.
- Entwicklung oder Anpassung eines Vergütungssystems, das den Anforderungen der EntgTranspRL gerecht wird.
- Verhandlung und Abstimmung der neu zu schaffenden Vergütungsregelungen mit den Arbeitnehmervertretungen, da in den meisten Fällen die Mitbestimmung zu beachten ist.
Wir sind tarifgebunden und/oder haben Betriebsvereinbarungen zur Vergütung abgeschlossen. Besteht dann noch Handlungsbedarf?
Sicher, die EU-Entgeltransparenzrichtlinie ist hier eindeutig. Sie müssen prüfen, ob die Eingruppierungslogiken unter den Tarifverträgen bzw. Betriebsvereinbarungen diskriminierungsfrei sind. Kriterien dürfen nur Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen umfassen. Da viele Tarifverträge auf einer summarischen Arbeitsbewertung basieren, müssen viele Regelwerke neu- bzw. nachverhandelt werden. Dies gilt auch für die betriebsverfassungsrechtlichen Ebenen, insbesondere im Hinblick auf die Entlohnung der AT-Angestellten und der Leitenden Angestellten.
Wir empfehlen den oben genannten Dreistufenplan.
Die Vermutung, dass Tarifverträge vor Schlechterstellung und damit auch vor Sanktionen schützen, wird in Zukunft nicht mehr aufrechterhalten werden können. Informationen über mögliche alternative Vorgehensweisen zu einem Tarifvertrag finden Sie hier.
Müssen wir den Einstellungsprozess anpassen?
Auf jeden Fall, wenn Sie den Bewerbern bisher noch keine Informationen über die Höhe des Gehalts gegeben haben. Darüber hinaus ist es den Arbeitgebern nicht mehr gestattet, die Bewerber während des Vorstellungsgesprächs nach ihrem derzeitigen oder früheren Gehalt zu fragen. Stattdessen sind sie verpflichtet, die Bewerber vor dem Vorstellungsgespräch über das Einstiegsgehalt bzw. die Gehaltsspanne zu informieren, in der es liegt. Bereits heute müssen Arbeitgeber dafür sorgen, dass Stellenanzeigen und Berufsbezeichnungen geschlechtsneutral formuliert sind und dass das Einstellungsverfahren generell frei von Diskriminierung abläuft.
- Überprüfung Sie die Rekrutierungsprozesse im Hinblick auf die Anforderungen der EntgTranspRL.
- Dokumentieren Sie die „Einstellungsgrundsätze“ in einer Einstellungsrichtlinie.
Gibt es neue Dokumentationspflichten?
Ja, alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben ohne Angabe von Gründen einen Anspruch auf Auskunft über die Kriterien für die Festlegung des Arbeitsentgelts, die Höhe des Arbeitsentgelts und die Entwicklung des Arbeitsentgelts. Der Arbeitgeber muss diese Informationen zur Verfügung stellen. Die Richtlinie sieht vor, dass kleine Unternehmen (< 50 Beschäftigte) davon ausgenommen sind. Dies kann in der nationalen Umsetzung noch verschärft werden.
Arbeitgeber mit > 100 Arbeitnehmern haben im Vergleich zum Entgelttransparenzgesetz, das seit 2017 in Kraft ist, deutlich erweiterte Informations-, Berichts-, Erörterungs- und Auskunftspflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden, den Gleichbehandlungsstellen und den Arbeitnehmervertretungen. Diese betreffen Informationen zum geschlechtsspezifischen Entgeltunterschied und zum Anteil der Beschäftigten, die zusätzliche oder variable Bestandteile erhalten. Zudem wird die Beweislast für die korrekte Entlohnung im Einzelfall vom Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber verlagert. Schadensersatzpflichten, vergaberechtliche Beschränkungen und Sanktionen drohen, wenn gegen die Vorschriften verstoßen wird.
- Zur Erfüllung dieser Pflichten sind entsprechende Prozesse und Datenverfügbarkeiten zu gestalten.
- Standardisierte Informationsschreiben an Aufsichtsbehörden, Gleichbehandlungsstellen und Arbeitnehmervertretungen von Ihrem Arbeitsrechtler erstellen lassen.
- Passen Sie eventuell vorhandene Vertraulichkeitsbestimmungen in den Arbeitsverträgen in Bezug auf die Vergütung an.
Wir sind mit einem erheblichen Ungleichgewicht bei der Entlohnung unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen konfrontiert. Was müssen wir unternehmen?
Besteht bei einem Arbeitgeber mit > 100 Beschäftigten ein Entgeltunterschied von mindestens 5 %, der nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt werden kann und der nicht innerhalb von sechs Monaten beseitigt wird, müssen Arbeitgeber mit den Arbeitnehmervertretungen zusammenarbeiten, um diskriminierende Entgeltunterschiede festzustellen, zu beseitigen und zu verhindern („Joint Pay Assessment“ oder „Gemeinsame Entgeltkommission“).
Im Rahmen des Joint Pay Assessment müssen – gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern – die Entgelte der verschiedenen Beschäftigtengruppen analysiert, die Gründe für die Ungleichheiten ermittelt, Maßnahmen zur Beseitigung der Unterschiede festgelegt und eine Wirksamkeitsanalyse der bereits getroffenen Maßnahmen durchgeführt werden. Über das Joint Pay Assessment ist den Beschäftigten, den Arbeitnehmervertretungen und den Aufsichtsbehörden zu berichten.
- Gestaltung des Prozesses der gemeinsamen Entgeltfindung
- Beziehen Sie Ihren Vergütungsberater und Ihren Arbeitsrechtler ein, um eventuell Regelungsabreden oder eine freiwillige Betriebsvereinbarung für die Arbeit der gemeinsamen Vergütungskommission zu entwerfen.
- Entwickeln Sie ein standardisiertes Musterschreiben für den Bericht über die gemeinsame Entgeltbewertung.
Ab wann werden die neuen Regelungen angewendet?
Die neuen Regelungen gelten ab dem 07.06.2026. Hinzu kommt das deutsche Umsetzungsgesetz.
Verpflichtende Berichtspflichten sieht allerdings bereits die Richtlinie vor:
- Arbeitgeber mit 250 oder mehr Beschäftigten müssen bis zum 07.06.2027 und in jedem Folgejahr einen Entgelttransparenzbericht vorlegen.
- Arbeitgeber mit 150 bis 249 Beschäftigten müssen bis zum 7. Juni 2027 Bericht erstatten. Danach muss der Bericht im Dreijahresrhythmus vorgelegt werden.
- Arbeitgeber mit 100 bis 149 Arbeitnehmern müssen die Informationen bis zum 7. Juni 2031 vorlegen. Danach müssen sie alle drei Jahre einen Bericht vorlegen.
- Arbeitgeber mit weniger als 100 Beschäftigten können die Informationen auf freiwilliger Basis vorlegen. Das nationale Umsetzungsgesetz kann jedoch auch eine Berichtspflicht vorsehen.
- Entsprechende Personalkapazitäten und zu schaffende Prozesse sind bei der Budgetierung zu berücksichtigen, – Die Umsetzung der Richtlinie wird von der Kommission überwacht.
Wer ist fachlich zu beteiligen?
Die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie (EntgTranspRL) erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Fachleute und Stakeholder. Hier sind einige der wichtigsten Akteure, die an der Umsetzung beteiligt sein sollten:
Vergütungsberater:
- Rolle: Vergütungsberater sind Experten für die Gestaltung und Analyse von Vergütungssystemen. Sie können Unternehmen dabei unterstützen, ihre bestehenden Vergütungsstrukturen zu evaluieren und an die neuen Anforderungen der Richtlinie anzupassen.
- Aufgaben: Durchführung von Due Diligence, Entwicklung und Anpassung von Vergütungssystemen, Sicherstellung der Geschlechtsneutralität und Transparenz der Entgeltkriterien.
Fachanwälte für Arbeitsrecht:
- Rolle: Fachanwälte für Arbeitsrecht sind spezialisiert auf die rechtlichen Aspekte der Arbeitsbeziehungen und können Unternehmen bei der rechtlichen Umsetzung der Richtlinie beraten.
- Aufgaben: Prüfung und Anpassung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, Beratung zu rechtlichen Verpflichtungen und Sanktionen, Unterstützung bei der Verhandlung mit Arbeitnehmervertretern.
Personalabteilungen:
- Rolle: Die Personalabteilungen sind für den Prozess der Implentierung der Vorgaben der EntgTranspRL und für die Umsetzung der neuen Vergütungsstrukturen und -prozesse im Unternehmen verantwortlich.
- Aufgaben: Anpassung der Einstellungsverfahren, Implementierung neuer Dokumentations- und Berichtspflichten, Schulung der Mitarbeiter zu den neuen Anforderungen.
Arbeitnehmervertreter (Betriebsräte, Gewerkschaften):
- Rolle: Arbeitnehmervertreter spielen eine wichtige Rolle bei der Mitbestimmung und Überwachung der Umsetzung der Richtlinie.
- Aufgaben: Verhandlung von Betriebsvereinbarungen, Überwachung der Einhaltung der neuen Vergütungsstrukturen, Mitarbeit bei der Durchführung von Joint Pay Assessments.
Unternehmensleitung:
- Rolle: Die Unternehmensleitung trägt die Gesamtverantwortung für die Umsetzung der Richtlinie und die Einhaltung der neuen Anforderungen.
- Aufgaben: Bereitstellung der notwendigen Ressourcen und Kapazitäten, Überwachung des Fortschritts der Umsetzung, Sicherstellung der Einhaltung der rechtlichen Verpflichtungen.
Die Zusammenarbeit dieser verschiedenen Akteure ist entscheidend, um die Anforderungen der Entgelttransparenzrichtlinie erfolgreich umzusetzen und sicherzustellen, dass die Vergütungsstrukturen im Unternehmen transparent, fair und diskriminierungsfrei sind.
Dringender Handlungsbedarf: Unternehmen sollten jetzt die neuen Entgeltregelungen umsetzen
Die zu erwartenden Neuregelungen auf nationaler Ebene dürften für viele Unternehmen die Art und Weise der Entgeltfindung grundlegend verändern. Unternehmen tun gut daran, die Umsetzung nicht in vergleichbarer Weise wie bei der Datenschutz-Grundverordnung auf die lange Bank zu schieben. Ansonsten ist die große Gefahr gegeben, dass aus Handlungsbedarf in 2025 erheblicher Handlungsdruck spätestens ab dem 07. Juni 2026 wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, wie viel Zeit für die Beteiligung der Tarifpartner oder des Betriebsrats eingeplant werden muss. Arbeitgebern wird empfohlen, sich bereits jetzt mit den zu erwartenden Neuerungen auseinanderzusetzen und Entgeltstrukturen und Entgeltregelungen einschließlich der Entgeltfindung zu analysieren und gegebenenfalls anzupassen.
Gerne stehen wir Ihnen seitens der Vergütungsberatung ?respondeo! bei der Umsetzung der europäischen Entgelttransparenzrichtlinie (2023/970) in Ihrem Unternehmens begleitend zur Seite. Wir analysieren den Status quo, definieren Prioritäten und begleiten Ihr Unternehmen Schritt für Schritt bei der Umsetzung der Ziele.
Selbstverständlich erläutern wir Ihnen auch gerne die Funktionsweise von easygrading, der Onlineanwendung für Stellenbewertung, IST-Gehaltsanalyse und Gehaltsbanddesign.
Schreiben Sie mir einfach eine E-Mail oder rufen Sie mich an.
+49 (0) 30 217 511 69