Attributionsfehler, Regression, Matthäus-Effekt – Die unsichtbaren Gegner fairer Leistungsbewertung
In der heutigen Geschäftswelt, in der Leistung und Vergütung eng miteinander verknüpft sind, ist die Diskussion über eine faire Gehaltsstruktur und eine objektive Leistungsbewertung von zentraler Bedeutung. Besonders im Kontext größer Unternehmen wie der Deutschen Bahn, die trotz Verlusten hohe Boni zahlen, wird die Komplexität und potenzielle Unfairness aktueller Vergütungssysteme offensichtlich. Doch auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sind vor Fehlern bei der Gestaltung einer gerechten Gehaltsstruktur nicht gefeit. Eine faire und transparente Vergütungsberatung ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Leistungsbewertung
Es gibt psychologische Verzerrungen, die sich auf die Bewertung von Leistungen auswirken und uns manchmal in einen Teufelskreis führen, der aus dem fundamentalen Attributionsfehler, der Regression zur Mitte und dem Matthäus-Effekt besteht. Dies kann zu unfairen Gehältern führen.
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Bevor wir uns den psychologischen Verzerrungen im Einzelnen zuwenden, noch ein Hinweis auf die allgemeine Basis, damit Gleiches auch mit Gleichem verglichen werden kann. Nicht zuletzt aufgrund der EU-Entgelttransparenzrichtlinie (2023/970/EU) ist eine systematische, an objektiven Kriterien orientierte Funktionsbewertung unerlässlich.
Die Grundlagen der Verzerrung in der Leistungsbewertung: Attributionsfehler und Regression zur Mitte
1. Der fundamentale Attributionsfehler
Beginnen wir mit dem fundamentalen Attributionsfehler. Dies ist die Tendenz, Ergebnisse einzelnen Personen zuzuschreiben und externe Umstände zu vernachlässigen. Wenn ein Mitarbeiter eine Verkaufsspitze erreicht, denken wir oft: „Wow, der muss wirklich gut sein!“ Doch die Realität ist oft vielschichtiger. Vielleicht hat ein besonders lukrativer Vertrag einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort seine Leistung beeinflusst. Diese einseitige Betrachtung führt schnell zu verzerrten Leistungsbewertungen und kann zu unfairen Gehaltszahlungen führen.
2. Regression zur Mitte
Die Regression zur Mitte kommt ins Spiel, wenn wir extreme Leistungen betrachten. Oft wird angenommen, dass außergewöhnliche Erfolge allein aus dem Talent einer Person resultieren. Dabei ist es häufig so, dass Glück und äußere Faktoren eine große Rolle spielen. Ein Mitarbeiter, der in einem Jahr außergewöhnliche Verkaufszahlen erzielt, wird möglicherweise in den nächsten Jahren wieder „normal“ abschneiden. Diese Schwankungen werden oft ignoriert, was zu überhöhten Erwartungen und folglich zu ungerechtfertigten Gehältern führt.
3. Matthäus-Effekt: Wer hat, dem wird gegeben
Ein weiteres Phänomen, das in diesem Kontext nicht übersehen werden darf, ist der Matthäus-Effekt: „Wer hat, dem wird gegeben.“ (vgl. Mt 13,12) Erfolgreiche Mitarbeiter ziehen mehr Aufmerksamkeit auf sich, erhalten bessere Ressourcen und werden häufiger gefördert.
Dies kann zu einer Kettenreaktion führen, da diejenigen, die bereits im Vorteil sind, immer weiter in den Vordergrund gedrängt werden, während weniger sichtbar arbeitende Kollegen in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. So entsteht eine ungerechte Verteilung von Gehältern und Boni, die auf subjektiven Wahrnehmungen basieren.
Die Auswirkungen auf die Mitarbeiter und die Unternehmenskultur
Die genannten Verzerrungen haben weitreichende Konsequenzen für die Unternehmenskultur und die Motivation der Mitarbeiter. Hier sind einige der negativen Effekte, die sich aus einer fehlerhaften Leistungsbewertung ergeben können:
Förderung von kurzfristigem Denken
Die Aussicht auf schnelle Boni kann dazu führen, dass Mitarbeiter langfristige Unternehmensziele wie Innovation und Nachhaltigkeit vernachlässigen. Während kurzfristige Erfolge gefördert werden, bleibt die strategische Entwicklung oft auf der Strecke.
Verminderte intrinsische Motivation
Extrinsische Anreize können zwar kurzfristig motivierend wirken, jedoch leidet die Eigenmotivation bei komplexen Aufgaben. Dies ist besonders problematisch in kreativen Berufen, wo intrinsische Motivation entscheidend für den Erfolg ist.
Ungenaue Leistungsmessung
Die Suche nach klaren Metriken zur Leistungsbewertung führt häufig zu einer einseitigen Fokussierung auf bestimmte Kennzahlen, die nicht das gesamte Spektrum der Leistung abdecken. Subjektive Beurteilungen können zu unfairen Nachteilen für Mitarbeiter führen, deren Arbeit schwer quantifizierbar ist.
Erhöhtes Risiko von Burnout
Der Druck, konstant hohe Leistungen zu erbringen, kann zu Stress und letztlich zu Burnout führen. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Mitarbeiter, sondern auch auf die gesamte Unternehmenskultur und die Fluktuation.
Teamarbeit leidet
Wenn individuelle Leistungen überbetont werden, entsteht oft ein Konkurrenzkampf unter den Mitarbeitern, der die Zusammenarbeit und den Teamgeist untergräbt.
Ethikverstöße
In einem Umfeld, das stark auf individuelle Leistung fokussiert ist, besteht das Risiko, dass Mitarbeiter zu unethischem Verhalten greifen, um ihre Zahlen zu verbessern. Fast schon sprichwörtlich sind hier die Verstöße im Bankenwesen, die nicht zuletzt zu der Bankenkrise 2008 führten.
Benachteiligung struktureller Minderheiten
Voreingenommene Bewertungen können systematische Benachteiligungen hervorrufen, die oft unbewusst sind, wie etwa Gender Bias, was die Fairness der Leistungsbewertung weiter in Frage stellt.
Vernachlässigung nicht messbarer Aufgaben
Wichtige Aufgaben, die nicht sofort quantifizierbar sind, wie Mentoring oder Teambuilding, werden bei der Leistungsbewertung oft ignoriert. Wie bereits Aristoteles feststellte, ist „das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Auch ein Unternehmen ist mehr, als die Summierung seiner Key Performance Indicators (Schlüsselkennzahlen), deshalb ist eine Vernachlässigung anderer Aufgaben zumindest nachteilig, wenn nicht total kontraproduktiv.
Geringere Innovationsbereitschaft
Mitarbeiter könnten risikoreiche Projekte meiden, weil sie negative Auswirkungen auf ihre Leistungsbilanz befürchten. Unternehmen, deren Mitarbeiter nur das Bestehende verbessern und keine risikobehafteten Innovationen entwickeln, verlieren im Wettbewerb, wie IBM gezeigt hat.
Administrativer Aufwand
Die Implementierung von komplexen Leistungsbewertungssystemen kann hohe Kosten verursachen und wertvolle Zeit in Anspruch nehmen.
Externe Faktoren beeinflussen die Leistungsmessung
Unkontrollierbare Einflüsse, wie Marktveränderungen, können die Leistung von Mitarbeitern unfair negativ beeinflussen.
Kundenerfahrung leidet
In einem Umfeld, das auf Quantität statt Qualität fokussiert ist, leidet oft die Kundenzufriedenheit.
Komplexität moderner Arbeitsrollen
In Berufen, die nicht Akkordlohnfähig sind, ist es oft schwierig, individuelle Leistungen isoliert zu bewerten, was zu weiteren Herausforderungen bei der Leistungsbewertung führt.
Lösungsansätze für gerechtere Leistungsbewertungen
Um die Probleme der Leistungsbewertung anzugehen, sind einige innovative Ansätze gefragt. Hier sind einige Möglichkeiten, wie Unternehmen die Fairness und Objektivität ihrer Bewertungen verbessern können:
Regelmäßige Check-ins: Anstelle von einmal jährlich durchgeführten Leistungsbewertungen könnten regelmäßige Feedback-Gespräche helfen, aktuelle Leistungen besser zu erfassen und Missverständnisse frühzeitig zu klären.
360°-Feedback: Durch Feedback von Kollegen, Vorgesetzten und auch von untergeordneten Mitarbeitern können einseitige Meinungen reduziert werden.
Klare Bewertungskriterien: Vorab festgelegte Kriterien für die Leistungsmessung helfen, subjektive Urteile zu minimieren und sorgen für Transparenz.
Fazit: Ein ausgewogener Ansatz ist gefragt
Die Entkopplung von Gehalt und Leistung wird oft mit Fairness und langfristiger Unternehmensentwicklung begründet. Dennoch werden leistungsbasierte Vergütungsmodelle nicht nur in stark ergebnisorientierten Bereichen, wie dem Vertrieb, durch viele Berater angepriesen.
Interessanterweise haben sich Bosch, Daimler, Commerzbank und SAP gegen persönliche Individualboni für die Mehrheit der Belegschaft zugunsten am Unternehmenserfolg ausgerichteter Leistungsvergütung entschieden.
Erfahrungsgemäß genügt es aber insbesondere im Bereich der KMU einen ausgewogenen Mix aus fairen Grundgehältern und teamorientierten Boni zu wählen. Die Basis hierzu ist in der Regel eine nachvollziehbare Stellenbewertung, wie sie nicht zuletzt durch die EU-Transparenzrichtlinie 970/2023 gefordert wird. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, die Motivation der Beschäftigten zu steigern und eine gerechtere Arbeitsumgebung zu schaffen.
Für Geschäftsführer mittelständischer KMU und Vergütungsexperten ist es entscheidend, sich der Herausforderungen und Verzerrungen bewusst zu sein, die die Leistungsbewertung mit sich bringt. Indem wir die psychologischen Mechanismen verstehen, können wir bessere Entscheidungen treffen, die sowohl den Beschäftigten als auch dem Unternehmen zugutekommen.
Dabei sollte ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, der quantitative Daten mit qualitativen Einschätzungen kombiniert. Führungskräfte und Vergütungsexperten sind gefordert, einen transparenten und fairen Beurteilungsprozess zu etablieren, der langfristig eine faire und nachvollziehbare Vergütung sicherstellt.
Lassen Sie uns gemeinsam Ihre faire Gehaltsstruktur gestalten.
Erfahren Sie mehr über unsere Dienstleistungen im Bereich der systematischen Leistungsbewertung und fairen Vergütung. Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung und Unterstützung bei der Umsetzung.
Wenn Sie mit mir persönlich über Ihre aktuelle Situation sprechen möchten oder individuelle Unterstützung bei der Gestaltung der Gehaltsstruktur in Ihrem Unternehmen benötigen, vereinbaren Sie einen unverbindlichen Telefontermin und lassen Sie uns besprechen, wie ich Sie unterstützen kann.
Gerne erläutere ich Ihnen ebenso die Funktionsweise von easygrading.
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