Große Unternehmen rücken bei der Bezahlung der Belegschaft von Bonuszahlungen ab, die auf die persönliche Leistung abstellen.
Sind die Zeiten hoher individueller Boni vorbei?
Immer mehr Unternehmen stellen die Sinnhaftigkeit hoher individueller Boni in Frage. Neben Daimler und Bosch hat nun auch die Commerzbank die persönlichen Individualboni für die Mehrheit der Belegschaft zugunsten am Unternehmenserfolg ausgerichteter Leistungsvergütung abgeschafft. Nur noch Mitarbeiter, die das Risikoprofil gemäß den regulatorischen Vorschriften der BaFin beeinflussen sowie Mitarbeiter im Ausland erhalten Individualboni.
Unternehmen, wie beispielsweise SAP oder der Versicherungskonzern AXA haben zumindest ihr System umgestellt und gewichten den Erfolg des Unternehmens stärker. Allerdings folgen nicht alle Unternehmen diesem Trend. Die Begründung lautet meistens, dass sonst Leistungsträger unzufrieden werden.
Das Argument ist auf Basis der Forschung und in der Regel des jeweils eigenen Erlebens kaum nachvollziehbar. Weitere Forschungen belegen konsistente negative Effekte von Belohnungen – von Süßigkeiten bis Geld – auf die intrinsische Motivation, also auf den eigenen Antrieb von innen. Stellen Sie sich vor, wie Sie persönlich auf Individualboni reagieren. Fragen Sie sich selbst. Wie lange freuen Sie sich über einen hohen Individualbonus? Einen Tag, eine Woche, einen Monat oder gar ein ganzes Jahr bis zum nächsten Bonus? Und ab wann sind Sie der Meinung, dass der Bonus nicht mehr als recht und billig und in der Höhe zu gering war.
Leistungsträger werden in der Regel eher aus eigenem Antrieb motiviert sein. Dies umso eher, wenn Interessen und Fähigkeiten mit den Aufgaben übereinstimmen.
Individualboni bedeuten einen zeitraubenden Prozess zwischen Führungskräften und Mitarbeitern. Dabei wird erfahrungsgemäß viel Frustration auf allen Seiten erzeugt. Ermöglichen Sie ihren Mitarbeitern sich wieder auf das Wesentliche ihrer Aufgabe zu besinnen und Umsatz zu generieren.
Warum schaffen Unternehmen persönlichen Bonuszahlungen ab?
Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth begründete dies folgendermaßen: „Wir wollen einfach nicht mehr die oft langen Diskussionen führen, ob jemand nun 100, 110 oder 115 Prozent der Zielvorgabe erreicht hat.“ Der stellvertretende Vorsitzende des Commerzbank-Aufsichtsrates und Betriebsratschef Uwe Tschäge charakterisiert die individuellen Boni häufig als einen „Quell von Frust und Missstimmung“.
Wie gehen andere Unternehmen mit den Individualboni um?
Auch andere Unternehmen, wie beispielsweise SAP oder der Versicherungskonzern Axa haben deshalb ihr System umgestellt und gewichten den Erfolg des Unternehmens stärker. Wieder andere verteilen nur einen geringen Teil der variablen Vergütung und gewähren den größten Teil als – mit Hilfe von Stellenwertgruppen geclusterte – Erfolgsbeteiligung.
Seit Jahren gibt es einen stärker werdenden Trend zur Überarbeitung der individuellen Boni. Allerdings ist dies immer noch keine Massenbewegung.
Folgen nun alle Unternehmen diesen Weg?
Zielvereinbarungen in Kombination mit der Chance auf mehr oder weniger große persönliche Individualboni bedeuten immens viel Aufwand. Meistens gilt der Spruch: „Am Ende des Jahres hat der Berg gekreißt und eine Maus wurde geboren.“ Dennoch halten viele Unternehmen an den Individualboni fest.
Warum folgen nicht alle Unternehmen diesem Trend?
Die Begründung lautet meistens, dass sonst Leistungsträger unzufrieden werden. Ebenso groß ist die Angst, dass Low Performer / Schlecht- / Minderleister nicht mehr abgestraft werden können. Personalverantwortliche und Führungskräfte wollen demzufolge Vergütung als Belohnungs- und vor allem als Strafmittel einsetzen.
Sind die Argumente nachvollziehbar?
Über die Motivation von Menschen haben Verhaltensforscher bereits Bibliotheken geschrieben. Sogar die Wissenschaftler, die Motivationseffekte des Geldes betonen, räumen ein, dass Gehalt und Lohn alleine nicht ausreichen. Die entscheidenden Fragen lauten: Fühlen wir uns in unserem Job wohler, wenn wir mehr verdienen? Oder kann ein höheres Gehalt uns sogar demotivieren?
Kann eine hohe, leistungsbezogene Vergütung motivieren?
Eine Antwort lieferte bereits 2010 eine Meta-Analyse von Tim Judge und Kollegen. Die Autoren haben 120 Jahre Forschung einbezogen und insgesamt 92 quantitative Studien ausgewertet. Der gesamte Datensatz bestand aus über 15.000 Personen und 115 Korrelationskoeffizienten.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Gehalt und Zufriedenheit sehr schwach ist. Die in der Studie festgestellte Korrelation deutet darauf hin, dass es nur eine Überlappung von weniger als 2 Prozent zwischen der Zufriedenheit mit dem Job und dem Gehalt gibt. Darüber hinaus war die Korrelation zwischen Gehalt und der Gehaltszufriedenheit nur marginal höher: Sie lag bei 4,8 Prozent. Dies deutet darauf hin, dass die Zufriedenheit von Menschen mit ihrem Gehalt fast vollständig unabhängig ist von der tatsächlichen Höhe ihres Gehaltes.
Kann eine hohe leistungsbezogene Vergütung demotivieren?
Manche Wissenschaftler sind dieser Ansicht. Sie argumentieren, es gebe eine natürliche Spannung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Demnach könnten finanzielle Belohnungen intrinsische Motive (wie zum Beispiel Freude, Wissbegierde, Lernen oder persönliche Herausforderung) dämpfen oder sogar verdrängen.
Über die Intensität, mit der eine hohe leistungsbezogene Vergütung demotivieren könnte, besteht trotz der Masse an Laborexperimenten, die konzipiert wurden, um diese Hypothese zu testen – die auch als Korrumpierungseffekt bekannt ist -, noch immer kein Konsens.
Edward Deci und Kollegen hat in einer Meta-Analyse die Ergebnisse von insgesamt 128 kontrollierten Experimenten zusammengeführt. Die Resultate zeigen konsistente negative Effekte von Belohnungen – von Süßigkeiten bis Geld – auf die intrinsische Motivation, also auf den eignen Antrieb von innen. Diese Effekte waren besonders stark, wenn die Aufgaben eher interessant und angenehm als langweilig und belanglos waren. Allerdings sind einige Forscher der Ansicht, dass extrinsische Belohnungen – wie zum Beispiel Individualboni – bei uninteressanten Tätigkeiten die intrinsische Motivation sogar steigern kann.
Hier stellt sich jedoch die Frage, ob die Leistungsträger in Unternehmen derart uninteressante Tätigkeiten verrichten, dass hohe Individualboni gezahlt werden müssen. Gerade bei kreativen Tätigkeiten kommen Deci und Kollegen zu der Erkenntnis, dass „Strategien, die sich auf extrinsische Anreize konzentrieren, Gefahr laufen, intrinsische Motivation zu mindern statt zu fördern“.
Kann die Ausrichtung der Motivation bei Individualboni beeinflusst werden?
Können sich Mitarbeiter von einer auf das Geld konzentrierten und dem Engagement abträglichen Denkweise lösen? Oder handelt es sich um eine angeborene Denkweise?
Genau ist dies nicht bekannt. Nähern wir uns mit gesundem Menschenverstand dieser Frage. Stellen Sie sich vor, wie Sie persönlich auf Individualboni reagieren. Wie lange freuen Sie sich über einen derartigen Bonus? Einen Tag, eine Woche, einen Monat oder gar ein ganzes Jahr bis zum nächsten Bonus? Und ab wann sind Sie der Meinung, dass der Bonus nicht mehr als recht und billig und in der Höhe zu gering war.
Leistungsträger werden in der Regel eher aus eigenem Antrieb motiviert sein. Dies umso eher, wenn Interessen und Fähigkeiten mit den Aufgaben übereinstimmen. Personalverantwortliche können versuchen, Menschen beizubringen, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren und positive Aspekte daran zu finden, anstatt sich auf die negativen Konsequenzen (oder Belohnungen) für das Erledigen der Aufgabe zu fokussieren. Dann nämlich würden sie die Aufgabe als weitaus angenehmer wahrnehmen. Es ist auch viel motivierender, zu joggen, weil es Spaß macht. Und nicht, weil man fit werden will oder Gewicht verlieren möchte.
Intrinsische Motivation ist auch ein viel besserer Indikator für Leistung im Job als extrinsische Motivation. Höhere finanzielle Prämien beeinträchtigen die intrinsische Motivation als auch die Leistung im Job. Je stärker sich Menschen auf ihr Gehalt konzentrieren, desto weniger geht es ihnen darum, ihre intellektuelle Neugier zu befriedigen und neue Fähigkeiten zu erlernen. Diese Dinge sind aber entscheidend, damit Menschen ihre bestmögliche Leistung abliefern können.
Was ist mit Low Performern?
Viele Unternehmen beharren auf Individualboni um „Low Performer“, Schlecht- oder Minderleister bestrafen zu können. Low Performer erbringen dauerhaft nicht die gewünschte Arbeitsleistung oder die vom Unternehmen geforderte Qualität.
Niemand wird als Minderleister geboren, sondern jemand entwickelt sich zum Minderleister. Gründe liegen hierfür meistens im persönlichen oder betrieblichen Umfeld, dass sie keine Anerkennung ihrer Leistungen erfahren, sich ungerecht behandelt fühlen, sie keine Herausforderung mehr verspüren, sondern sie die Langeweile quält. Oder weil sie schlicht erkennen, dass mehr Leistung kein Mehr von dem bedeutet, was ihnen persönlich im Beruf so wichtig ist und was sie wirklich motiviert, viel zu leisten. Damit ist das Dasein als Low-Performer keine Schwäche des Einzelnen aus egoistischer Boshaftigkeit, sondern vielmehr logisches konsequentes Handeln von Menschen in einem Umfeld.
Die einzige Ausnahme bilden Mitarbeiter, die tatsächlich nicht über die Fähigkeiten verfügen, die sie für die Erfüllung der Anforderungen einer Position benötigen. Doch dann hat es nichts mit Performance, sondern mit Fehlbesetzung und Versagen im Recruiting-Prozess zu tun. In diesem Fall wäre die Abstrafung durch einen geringen bis hin zu gar keinem Bonus wohl das schlechteste Mittel der Wahl.
Das Leistungspotenzial von Low Performern muss also durch gezielte Förderung angehoben werden. Es ist in der Regel nicht möglich, die Leistung von Minderleistern nach dem Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ über die Vergütung zu steigern.
Welche Vorgehensweise ist nun besser?
Die Forschung gibt wenig Hinweise darauf, dass Geld Menschen motiviert. Auf der anderen Seite spricht einiges dafür, dass Geld Menschen im Gegenteil demotiviert. Natürlich sollen Mitarbeiter nicht umsonst arbeiten. Jeder muss seine Rechnungen zahlen und für seine Familie sorgen. Aber wenn diese grundlegenden Dinge einmal abgedeckt sind, sind die psychologischen Vorteile von Geld fragwürdig. Mit anderen Worten, jedes Unternehmen muss seine Mitarbeiter gemäß Anforderungen an die Stelle differenzieren. Dazu sind Stellenbewertungssysteme, wie beispielsweise easygrading, hilfreich. Darauf aufbauend wird in den Stellenwertgruppen oder Grades eine ausreichend hohe Grundvergütung gezahlt.
Wenn mithilfe der Grundvergütung die grundlegenden Dinge einmal abgedeckt sind, sind die psychologischen Vorteile von Geld diskussions- wenn nicht sogar fragwürdig.
Amerikanische Forscher von der Purdue University in Indiana haben einmal das ideale Einkommen für ein glückliches Leben errechnet. Dafür verwendete das Team um Andrew T. Jebb, ein Doktorand in der Abteilung für Psychologische Wissenschaften, Daten des Meinungsforschungs-Unternehmens „Gallup“ als Grundlage. Für diese wurden repräsentative Stichproben von mehr als 1,7 Millionen Personen aus 164 Ländern zusammengetragen, die nach ihrem subjektiven Wohlbefinden befragt wurden.
Die in dem Journal „Nature Human Behaviour“ publizierten Ergebnisse zeigten jeweils zwei Zufriedenheitsstufen auf: einmal der perfekte Lebensstil und einmal der glückliche Lebensstil. Das perfekte Lebensgefühl empfinden Menschen weltweit, wenn sie jährlich 77.000 Euro zur Verfügung haben. Bein einer regionalen Betrachtung kommen die Forscher zu folgenden Erkenntnissen. Ein perfektes Leben finanzieren sich Westeuropäer und Skandinavier mit einem jährlichen Einkommen von 81.000 Euro. Ein durch hohe Individualboni erzieltes höheres Einkommen hat m. E. daher in der Regel keinen nennenswert steigernden Effekt mehr auf das Wohlbefinden. Ein vom Unternehmenserfolg abhängender zusätzlicher Erfolgsbonus muss folglich nicht so hoch ausfallen und dient damit eher der Anerkennung der Leistung im Unternehmensteam. Das Unternehmen spart sich jedoch den Zeit aufreibenden Tanz auf dem Vulkan der Individualboni und die Führungskräfte und Mitarbeiter können sich ihren eigentlichen Aufgaben widmen und Umsatz für das Unternehmen generieren.
Wenn Sie Fragen haben oder weitere Informationen wünschen, dann erreichen Sie uns unter +49 (0) 30 217 511 69 oder via E-Mail beyfuss@respondeo.de