New Pay und leistungsdifferenzierte Gehaltsanpassungen

von | 19. Apr. 2022

Die Gehaltszufriedenheit der Belegschaftsangehörigen ist von vielen nicht beeinflussbaren Faktoren abhängig, wie die kununu Gehaltsstudie 2022 belegt. Unternehmen können mit fairen und transparenten Gehaltsanpassungen einiges dafür leisten. Wie funktioniert das?

New Pay und leistungsdifferenzierte Gehaltsanpassungen, geht das zusammen? 

Seit vielen Jahren ist die leistungsdifferenzierte Gehaltsanpassung üblich. Kritiker verweisen darauf, dass die Leistungsdifferenzierung häufig nach Nase und in den letzten Wochen vor dem Stichtag erfolgt. Ebenso wird moniert, dass die leistungsbezogene Bezahlung rückwärtsgewandt sei und sich auf die Erreichung von Leistungskennzahlen und anderen Aspekten der „Leistung“ der letzten 12 Monate bezieht. Dagegen sei mit Blick auf New Pay eher die Bindung künftiger Leistungsträger zu berücksichtigen. 

Vorsicht, bevor wir das Kind mit dem Bade ausschütten. Nicht alles, was überholt erscheint, ist unzeitgemäß oder gar falsch. Die vielfach kritisierte Entscheidung für eine leistungsorientierte Gehaltsanpassung ist dennoch nötig und richtig. Dabei gilt es, das Spektrum für die Kriterien des Leistungsmanagements, um Kriterien des Talentmanagements zu erweitern. Neben dem Rückblick auf die letzten 12 oder mehr Monate sollte ergänzend das Potenzial, die Kompetenz und die Bedeutung der Person für die Zukunft des Unternehmens berücksichtigt werden. 

Gleichwohl die Begrifflichkeit Humankapital nicht unumstritten ist, wirft dieser Terminus ein interessantes Licht auf das Verhältnis Führungskraft und Gehaltsanpassungen von Mitarbeitenden.

Viele Ratgeber für Privatanleger empfehlen den Einstieg in Aktien. Ein Hinweis für Anleger lautet: „Tatsächlich unterliegen viele Wertpapiere starken Wertschwankungen und können so die Nerven der Anleger strapazieren. Ein weiteres Problem stellt das Phänomen dar, dass Privatanleger häufig erst an die Börse strömen, wenn bereits eine Überbewertung eingetreten ist und die Kurse sich bald nach unten korrigieren werden. Dies ist in der Regel nach einer längeren Phase des Marktwachstums der Fall, in der sich Anleger „sicher“ genug fühlen. Tatsächlich ist dieses auch als Dienstmädchen-Hausse bekannte Phänomen für erfahrene Anleger ein Warnzeichen. Zudem setzen Privatanleger dann vor allem auf Trendbranchen und diversifizieren ihr Portfolio nicht. Als Folge werden sie von Kursrückgängen unverhältnismäßig hart getroffen und kehren der Börse dann wieder den Rücken.“ (vgl. https://t1p.de/utxr0).

Wenn Sie gedanklich den Anleger durch die Führungskraft ersetzen und die Wertpapiere durch die Mitarbeitenden, können Sie einige Ideen für die angesprochene Erweiterung der Kriterien des Leistungsmanagements ziehen.

So wie bereits Privatanleger Geld in unterbewertete Aktien investieren sollen, sollten HR-Verantwortliche fair und nachvollziehbar die Gehälter der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Blick auf die letzten 12 Monate und vor allem auf künftig erwartbare Leistungen und die Bedeutung der Person für das Unternehmen anpassen. Dazu müssen die HR-Verantwortlichen die Kriterien inkl. Ausprägungen erarbeiten, die für ihr Unternehmen sinnvoll sind. 

Vorausgesetzt, die Kriterien, das Verhältnis zueinander und die Ausprägungen sind definiert, liegt es an den Führungskräften diese für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzuwenden. Hier liegt erfahrungsgemäß vieles im Argen.

Führungskräfte und das Leistungsbeurteilungsgespräch – eine schwierige Situation

Führungskräfte wollen häufig keine unangenehmen Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen. Es handelt sich – im Unterschied zu Privatanlegern – nicht um ihr eigenes Geld, sondern „nur“ um Firmengelder. Dabei lassen sie völlig außen vor, dass leistungsorientierte Boni eine einmalige Belastung der Firmenfinanzen darstellen, Gehaltsanpassungen jedoch dauerhaft wirken. Die Gehaltserhöhung gilt für immer, denn das neue Gehalt ist die Grundlage für die Gehaltserhöhung im nächsten Jahr. Deshalb ist eine faire und nachvollziehbare sowie das Budget einhaltende Vorgehensweise bei Gehaltsanpassungen umso wichtiger.

Kommen wir nochmals auf die Idee des „Privatanlegers“ zurück.

Bereits Privatanlegern wird empfohlen, dass sie nicht kurzfristig handeln und dennoch hochpreisige Aktien mit unterdurchschnittlicher Bewertung abstoßen. Sie sollen ihr Geld in Value-Aktien, deren tatsächlicher Wert zumindest ausreicht, um den momentanen Aktienkurs an der Börse zu rechtfertigen, investieren. Der professionelle Value Investor berücksichtigt sowohl quantitative als auch qualitative Faktoren, um den Wert einer Aktie zu bestimmen.

Ist das nicht genau das, was Führungskräfte tun müssen? Sie sollten bei Gehaltsentscheidungen mehr wie talentierte Value-Investoren handeln. Das bedeutet nicht, dass ein Vorgesetzter eine Person „abstoßen“ muss, wie ein Investor eine Aktie abstoßen würde. Die professionelle Führungskraft sollte jedoch erkennen, wann einer Person für ihren Wert zu viel bezahlt wird, im Vergleich zu anderen Personen, die im Verhältnis zu ihrem Wert vielleicht zu wenig bezahlt werden.

Letztendlich sollte mit Blick auf Gehaltsanpassungen der Wert einer Person für das Unternehmen oder speziell der vermutete Wert des Talents in den Mittelpunkt der Beurteilung gerückt werden.

Ist die Leistungsbewertung am Ende? 

In Bezug auf die Vergütung: nein. Leistungsbewertungen sind weiterhin als ein Kriterium unter mehreren sinnvoll. Sie sind allerdings nicht mehr das Hauptkriterium. Allerdings gilt es, die Beurteilungskriterien und die Beurteilung selbst klar zu kommunizieren. Vor dieser ureigensten Führungsaufgabe darf sich keine Führungskraft scheuen. 

Wie kann eine „verobjektivierte“ Entscheidung getroffen werden?

Der menschliche Faktor in einer Beurteilung kann nie gänzlich ausgeschlossen werden. Allerdings kann die Entscheidung für eine „verobjektivierte“ Beurteilung des Talent- und Leistungsmanagements verbreitert und ausgebaut werden.

Darauf aufbauend verwenden viele Unternehmen eine Gehalts(anpassungs)matrix dazu, dass denjenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern größere Erhöhungen gewährt werden, die weniger verdienen (im unteren Bereich des Gehaltsbandes liegen) und/oder die in den letzten 12 Monaten eine höhere Leistungsbewertung aufweisen.

Faire Gehaltsanpassungen mit einer Gehaltsanpassungsmatrix (Merit Increase Matrix) wirken besser als ein ominöser New PAy Ansatz.
New Pay und leistungsdifferenzierte Gehaltsanpassungen 2

Die Frage ist nun, ob eine Gehaltsanpassungsmatrix auch die erwartete zukünftige Leistung und Bedeutung einer Person für das Unternehmen anstelle der vergangenen Leistung berücksichtigen kann. Die Antwort lautet ja, und wir tun dies bereits in Form von Talentbewertung und Nachfolgeplanung. Wir müssen sie nur noch mit der Vergütung verknüpfen.

Gehaltsanpassungen mit Blick auf Talent und Bedeutung für das Unternehmen

Viele meiner Mandanten wünschten sich eine Gehaltsmatrix als Vorgabe für eine verobjektivierte Vergütungsentscheidung. Die Gehaltsmatrix soll dabei aber folgende Punkte berücksichtigen:

  1. Leistung im Rückblick 
  2. Mitarbeiterbindung
  3. Bedeutung der Mitarbeitenden für die Zukunft des Unternehmens

Dazu kommt der Vollständigkeit halber noch die individuelle Lage im Gehaltsband.

Diese ganzheitliche Betrachtung des Wertes des Talents einer Person kann als Talent Value bezeichnet werden, ein Begriff, den einige Unternehmen bereits verwenden.

Das erste Kriterium unterscheidet sich nicht von der bislang üblichen Leistungsbewertung, die sich auf die letzten 12 Monate bezieht.

Das zweite und dritte Kriterium berücksichtigt, wie eine Person im Verhältnis zu ihrem Talentwert bezahlt wird. Damit wird der Überlegung Rechnung getragen, wichtig es ist, eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter zu halten, und ob das derzeitige Gehalt diese zugesprochene Bedeutung widerspiegelt. Jemand, der sehr gut bezahlt wird, für den es aber nicht wichtig ist, ihn zu halten, hat einen niedrigeren Wert. Eine Person, die für ihre Arbeit niedrig bezahlt wird, aber dennoch wichtig ist, um sie zu behalten, hätte einen hohen Wert. 

Wie werden die Kriterien angemessen berücksichtigt?

Für die Verdichtung der unterschiedlichen Kriterien zu einem Wert bietet sich das altbekannte Tool der „gewichteten Entscheidungsmatrix“ an. Die unternehmensspezifische Entscheidungsmatrix unterstützt die Führungskraft dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen. Dabei werden die Präferenzen des Unternehmens unter den entsprechenden Kriterien berücksichtigt. Das Unternehmen kann die Kriterien und deren Gewichtung aus der Unternehmenskultur ableiten. Es ist völlig frei in der Gestaltung und kann sogar auf die Rückschau auf die letzten 12 Monate verzichten.

Im Prinzip muss die Führungskraft die Entscheidungsmatrix im Vorfeld des Beurteilungsprozesses ausfüllen. Im Rahmen der vertieften Verobjektivierung des Bewertungsprozesses kann hier aber eine abteilungsübergreifende Beurteilungskonferenz hilfreich sein.

Die individuelle Lage im Gehaltsband und ihre Aussage

Die Lage im Gehaltsband wird i. d. R. berechnet, indem das individuelle Gehalt durch den Midpoint-Wert des Gehaltsbandes geteilt wird. Der errechnete Prozentwert wird auch als Compa-Ratio bezeichnet. Dieser Wert ist nach wie vor sehr wichtig. Die Compa-Ratio ist ein guter Indikator dafür, ob eine Person Gefahr läuft, wegen des Gehalts das Unternehmen zu verlassen – unabhängig davon, in welcher Funktion sie tätig ist. Kritische Talente – Talente, deren Verlust Sie sich nicht leisten können – sollten eine ausreichend hohe Compa-Ratio haben, um sie für andere potenzielle Arbeitgeber uninteressant zu machen.

Kommunikation einer Gehaltsentscheidung

Führungskräfte müssen die Gehaltsentscheidungen kommunizieren. Es ist sinnvoll, wenn sie sich dabei nicht zu stark auf die Vergangenheit, sondern auf verstärkt auf die Zukunft konzentrieren. Führungskräfte sollten über die Bedürfnisse der Kunden, die Bedürfnisse des Unternehmens und die Talente sprechen, die für die Zukunft entscheidend sind. Sie sollten nicht über den Wert einer Person sprechen, sondern über ihr Talent oder den Wert ihres Talents. Ansonsten laufen sie Gefahr, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in ihrem Menschsein angegriffen fühlen. 

Die Führungskraft sollte im Vorfeld der Gehaltsanpassungsrunde mit jedem Teammitglied über die Entwicklung und den Ausbau der beruflichen Kompetenz sprechen. Damit stärkt die Führungskraft ihre Coachingfunktion. 

Sofern eine Führungskraft dazu nicht in der Lage sein sollte, erfordert dies die Unterstützung durch die Personalabteilung. Nicht zuletzt gilt es bei der künftigen Berufung von Führungskräften Personen auszuwählen, die den Mut haben, Menschen, die sich auf ihre vergangenen Leistungen ausruhen, die glauben, dass Loyalität alles ist, was zählt, oder die sich weigern, neue Fähigkeiten zu erwerben, wenig oder gar nicht zu fördern.

Die Gehaltsmatrix von respondeo

Die ?respondeo! – Unternehmensberatung hat ihre vielfach bewährte Gehaltsmatrix neu in Excel umgesetzt.
Weitere Informationen finden Sie hier:   Gehaltsanpassung – fair und angemessen

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Geschrieben von Dr. Viktor Beyfuß

Viktor Beyfuß unterstützt Unternehmen, schnell kostenoptimiert, klare interne Wertigkeitsstrukturen und eine faire Mitarbeitervergütung zu gestalten.

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