Wie sollen agile Unternehmen ihre agilen Mitarbeiter vergüten? Das Konzept des agilen Arbeitens stellt die klassische Arbeitsweise eines Unternehmens vollkommen auf den Kopf. Dazu muss die Kultur eines Unternehmens entsprechend stark verändert werden. Falsch gesetzte Anreize wirken gegen die Ziele agiler Arbeit. Wie wirkt sich die Belohnung individueller Leistung versus der Honorierung der Zusammenarbeit im Team in einem agilen Umfeld aus?
Wie werden agile Teams vergütet?
Die Welt verändert sich schneller als je zuvor. Das Festhalten an Bestehendem ist keine Formel für die Zukunft. Wie stellen sich Unternehmen für ihre Kunden langfristig erfolgreich auf?
Agiles Arbeiten ist ein Stichwort, das in diesem Zusammenhang häufig fällt. Agil, das ist eben nicht behäbig, träge, unbeweglich, sondern leichtfüßig, flexibel, dynamisch und nur mit dem absolut notwendigen Maß an Bürokratie.
Das Konzept des agilen Arbeitens stellt die klassische Arbeitsweise eines Unternehmens vollkommen auf den Kopf – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Agile Unternehmen verteilen die Verantwortung weg vom Management hin zu den Arbeitsteams. Die Teams übernehmen die Verantwortung für ihr eigenes Handeln. Das Management bekommt eine vollkommen andere Rolle. Aus Kontrolle und Anleitung wird Unterstützung und Ermutigung der Mitarbeiter. Die Pyramide wird umgekehrt, gefragt ist jetzt die von unten gestützte, breite Plattform, auf der die Mitarbeiter erfolgreich arbeiten können. Klare Ziele und Leitlinien ersetzen eine kleinteilige Planung und ermöglichen so eine schnelle Reaktion bei Veränderungen und unerwarteten Ereignissen.
Ein mir bekanntes Unternehmen hat im Rahmen der Umstellung auf ein agil arbeitendes Unternehmen auch die Vergütungsstruktur überarbeitet. Ein funktionierendes Stellenbewertungssystem mit entsprechenden Grundgehaltsbändern war bereits installiert. Auf dieser Basis sollte die variable Vergütung angepasst werden.
Eine Erkenntnis in diesem Prozess war: Egal, wie gut ein agiler Übergang auch gestaltet und durchgeführt wird, wenn Anreize bestehen bleiben, die nicht-agiles Verhalten fördern, werden die Menschen sich danach verhalten.
Wenn die Kultur eines Unternehmens nicht entsprechend stark verändert wird, um agil zu werden, zieht die Schwerkraft des Unternehmens das Unternehmen direkt dorthin zurück, wo es begann.
Wie wirken finanziellen Anreize?
Finanzielle Anreize sind häufig eine suboptimale Idee. Finanzielle Anreize werden oft eingeführt, um sicherzustellen, dass ein Team ein Projekt fristgerecht und erfolgreich zum Abschluss bringt. Das Unternehmen lobt eine entsprechend hohe finanzielle Belohnung aus.
So weit, so gut. Aber die Probleme treten beim nächsten Projekt auf. Das Team wurde analog dem pawlowschen Reflex darauf trainiert, dass es eine finanzielle Belohnung erhält. Diese wird ggf. sogar erhöht, wenn die Gefahr des Misslingens am Horizont dräut. Unter diesen Bedingungen entwickelt sich ein gefährlicher Teufelskreis. Um derartig negativen Mechanismen zu begegnen, werden beispielsweise für die Vergütung von Bankmitarbeitern durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht dezidierte Vorgaben in der Institutsvergütungsverordnung gemacht.
Was motiviert Mitarbeiter am stärksten?
Extrinsische Anreize wie etwa Boni und Incentives motivieren nur kurzfristig. Die intrinsische Motivation wirkt stabiler und verbessert die Leistung der Mitarbeiter anhaltender. Das Erleben von Sinn ist die stärkste Motivation für einen Menschen.
Das spricht nicht gegen die monetäre Entlohnung. Die meisten von uns würden ohne einen Gehaltsscheck nicht zur Arbeit kommen. Aber es geht um mehr, als nur um das Geld. Es geht darum, dass Arbeit Sinn stiftet und Freude bereitet.
Beispiel Bonus für Unternehmensjuristen
Vor einigen Jahren habe ich viel von einem Team gelernt, dem ein finanzieller Projekt-Bonus zugesagt war. Es handelt sich um ein Team von 12 Unternehmensjuristen, für die ein Bonus von 75.000 EUR zur Verfügung stand. Der Vorgesetzte konnte sich nicht entscheiden, wie er den Betrag auf die Teammitglieder verteilen sollte.
Sollte er …
- jedem Teammitglied den gleichen Betrag geben? Wenn er jedem 6.000 EUR gab, schien das unfair für diejenigen mit hohen Gehältern und zu großzügig für Teammitglieder mit niedrigem Grundgehalt.
- einen Bonus gewähren, der in Relation zum Grundgehalt der Person steht? Dies schien ihm das Gegenteil seiner ersten Überlegung zu sein.
- einen Bonus gewähren, der die zeitliche Präsenz im Team berücksichtigt? Hier erschien es dem Vorgesetzten unfair, den gleichen Betrag an einen Juristen zu geben, der erst vor drei Monaten zu dem Team gekommen war im Vergleich zu einem Juristen, der bereits 9 Monate im Team gearbeitet hat.
Der Vorgesetzte konnte sich nicht entscheiden und holte sich damals Rat bei zwei Vertrauten im Team. Er erhielt auch Vorschläge. Aber die Vorschläge jeder Person waren eher darauf ausgerichtet, was für die Ratgebenden vorteilhaft war.
Offenbar angeregt durch Pressemitteilungen über egalitäre Vergütung in Start-ups übergab er nun dem gesamten Team die Entscheidung, wie sie den Bonus verteilen wollten.
Eine Woche, nachdem er das Problem auf das Team verlagert hatte, fand ein Team-Meeting statt. Das Team berichtete ihm, dass die Teammitglieder keinen Weg finden würden, den Bonus gerecht zu verteilen. Sie stritten sich darüber. Und sie fühlten, dass das Geld die starken Bindungen, die sie als Team aufgebaut hatten, beeinträchtigten. Deshalb gaben Sie den Betrag zurück.
Der Vorgesetzte und das Team beschlossen damals, den Betrag für eine gemeinsame Reise mit Partnern zu verwenden.
Beispiel Leistungsprämie für die Berliner Polizei
Am 17.07.2019 berichtet der Tagesspiegel Checkpoint (ogy.de/6h19), dass der Gesamtpersonalrat der Berliner Polizei (25.300 Beamte und Mitarbeiter) eine Leistungsprämie in Höhe von fünf Millionen Euro ablehnt, da nur ein Zehntel der Belegschaft profitieren soll.
Die B.Z. vom 17.07.2019 zitiert Polizeisprecher Thilo Cablitz zu den Kriterien wie folgt: „Voraussetzung für die ‚Leistungsprämie‘ sei eine ‚auszeichnungswürdige besondere Leistung‘. Dazu gehören: ‚Schutz von Bürgerinnen und Bürgern oder anderen Dienstkräften im Einsatz, besondere Ermittlungserfolge durch persönliches Engagement.'“ Dazu stellt die B.Z. die Frage „ist das nicht selbstverständlich für Polizisten?“ Der Gesamtpersonalrat kritisiert außerdem, dass keine Teamprämien vorgesehen seien, dabei sei gerade der Polizeiberuf vom Teamgedanken geprägt. Das Geld soll lieber in die Sanierung maroder Dienststellen fließen.
An diesem Beispiel wird klar ersichtlich, wie wichtig die Kriterien für die Gewährung einer „Belohnung“ sind. Dazu gehört insbesondere die Grundsatzentscheidung, ob einzelne Mitarbeiter aus der Belegschaft herausgehoben vergütet oder die Arbeit der Belegschaft als Ganzes honoriert werden soll.
Der Gesamtpersonalrat der Berliner Polizei verzichtet lieber auf eine Leistungsprämie, als den Teamgedanken in den Reihen der Polizei zu zerstören.
Wie sollen wir also agile Team belohnen?
Die wichtigste Erkenntnis ist, dass Belohnungen in einem agilen Umfeld eher Teamarbeit als individuelle Leistung fördern sollten. Daher sind Belohnungen (sowohl Boni und Incentives), die jedes Teammitglied erhält, sinnvoll. Keinen Sinn und wohl auch Erfolg hat es, Arbeitnehmer, die leistungsmäßig hinter ihrem Potenzial zurückbleiben, durch Reduzierung der Belohnung zu „bestrafen“. Hier müssen andere Maßnahmen im Sinne von Personalentwicklung oder nötigenfalls arbeitsrechtlichen Schritten greifen.
Individuelle Belohnungen sind damit nicht generell tabu sind. Allerdings sollte die Bedeutung individueller Belohnungen im Vergleich zu der Honorierung der Teamleistung geringer angesetzt werden.
Setzen Sie zudem auch nicht monetäre Formen der Belohnung. Eine handschriftliche Notiz in dieser Zeit der ständigen E-Mail-Flut kann Wunder bewirken. Nehmen Sie sich die Zeit, ab und zu eine Notiz zu schreiben und danken einem Teammitglied für eine besondere Leistung.
In Zeiten, in denen sich Mitarbeiter eher für Zeit als für Geld entscheiden, wie es bspw. bei der Deutschen Bahn der Fall ist, bedeutet Zeit eine weitere Form der Belohnung. Zeit ist etwas, wovon jeder ständig zu wenig hat. Beispielsweise können Sie einem Team einen Anreiz von einer Woche Urlaub bieten, wenn es einen bedeutenden Projektschritt erreicht hat.
Eine weitere Möglichkeit ist es, dem Team Wissen zu vermitteln. Wenn sie ein Ziel erreichen, ermöglichen sie allen Teammitgliedern eine Weiterbildung. Gegebenenfalls gehen alle zur gleichen Veranstaltung. Oder, wenn es besser ist, lassen Sie jede Person ihre eigene Fortbildungsveranstaltung wählen, um irgendwann im Jahr daran teilzunehmen.
Konsequenzen für die Belohnung von agilen Teams
Boni und Incentives in agilen Teams sind möglich. Aber sie müssen sorgfältig entworfen werden, um mit der Betonung der Teamarbeit in einer agilen Organisation in Einklang zu stehen. Bei sinnvoller Gestaltung und Handhabung kann die Belohnung von Teammitgliedern mit Boni und Incentives dem Team und der Organisation zugutekommen.
Wie denken Sie darüber?
Wie belohnt man Teams? Oder wie möchten Sie als Teammitglied belohnt werden?
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